Strafmaß bei versuchtem Mord: Rechtliche Grundlagen und Strafzumessung

Das Wichtigste im Überblick

Einleitung: Warum versuchter Mord rechtlich relevant ist

Versuchter Mord gehört zu den schwerwiegendsten Straftaten im deutschen Strafrecht. Auch wenn die Tat nicht vollendet wurde, sieht das Gesetz empfindliche Strafen vor. Die rechtliche Bewertung und Strafzumessung bei versuchtem Mord ist komplex und hängt von zahlreichen Faktoren ab.

Für Betroffene, Angehörige und Beschuldigte ist es wichtig zu verstehen, nach welchen Kriterien deutsche Gerichte das Strafmaß bestimmen und welche Umstände mildernd oder erschwerend wirken können. Die Konsequenzen eines Urteils wegen versuchten Mordes sind weitreichend und beeinflussen das gesamte weitere Leben der Beteiligten erheblich.

Rechtliche Grundlagen des versuchten Mordes

Definition und Tatbestandsmerkmale

Mord ist nach § 211 StGB definiert als das vorsätzliche Töten eines Menschen aus niedrigen Beweggründen (insbesonder Habgier, Mordlust und zur Befriedigung des Geschlechtstriebs), heimtückisch oder mit gemeingefährlichen Mitteln, oder zur Ermöglichung oder Verdeckung einer anderen Straftat. Bei versuchtem Mord liegt vor, wenn der Täter zur Verwirklichung des Tatbestandes unmittelbar ansetzt, die Tat aber nicht vollendet wird.

Der Versuch ist nach § 23 Abs. 1 StGB strafbar, wenn das Gesetz es ausdrücklich bestimmt. Bei Verbrechen – und Mord ist ein Verbrechen – ist der Versuch stets strafbar. Für die Strafzumessung beim Versuch gilt § 23 Abs. 2 StGB, wonach die Strafe nach § 49 Abs. 1 StGB gemildert werden kann.

Abgrenzung zu anderen Tötungsdelikten

Die Unterscheidung zwischen versuchtem Mord und versuchtem Totschlag nach § 212 StGB ist von erheblicher praktischer Bedeutung. Während beim Totschlag die Tötung vorsätzlich erfolgt, müssen beim Mord zusätzlich die besonderen Mordmerkmale erfüllt sein. Diese Abgrenzung beeinflusst das mögliche Strafmaß.

Besonders schwierig ist oft die Bewertung, ob ein Mordmerkmal wie Heimtücke oder niedrige Beweggründe vorliegt. Die Rechtsprechung hat hierzu detaillierte Kriterien entwickelt, die in jedem Einzelfall sorgfältig zu prüfen sind.

Wenn Sie mit einem Vorwurf des versuchten Mordes konfrontiert sind, ist eine frühzeitige anwaltliche Beratung essentiell, um die rechtlichen Optionen zu verstehen und eine effektive Verteidigungsstrategie zu entwickeln.

Das Strafmaß: Strafrahmen und Strafzumessungskriterien

Grundsätzlicher Strafrahmen

Für versuchten Mord sieht das Gesetz einen Strafrahmen vor, der sich aus der Kombination verschiedener Vorschriften ergibt. Nach § 211 StGB wird Mord mit lebenslanger Freiheitsstrafe bestraft. Beim Versuch kann das Gericht nach § 49 Abs. 1 StGB das Strafmaß mildern.

Dabei bestimmt § 49 Abs. 1 Nr. 1 StGB: „Ist eine Milderung nach dieser Vorschrift vorgeschrieben oder zugelassen, so tritt an die Stelle von lebenslanger Freiheitsstrafe eine Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren.“ Das Gericht entscheidet somit je nach Einzelfall zwischen lebenslanger Freiheitsstrafe oder einer gemilderten zeitigen Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren. Das Gericht hat damit einen erheblichen Ermessensspielraum bei der konkreten Strafzumessung, der von der Schwere der Tat und der Schuld des Täters abhängt.

Faktoren der Strafzumessung

Die konkrete Strafzumessung orientiert sich an den allgemeinen Grundsätzen des § 46 StGB. Dabei berücksichtigt das Gericht die Umstände der Tat und die Persönlichkeit des Täters. Zu den wesentlichen Faktoren gehören die Schwere der Schuld, die Beweggründe und Ziele des Täters sowie die Art der Ausführung.

Erschwerend können sich auswirken: besondere Brutalität der Tatausführung, Planung und Vorbereitung der Tat, die Hilflosigkeit des Opfers oder eine besondere Gefährdung unbeteiligter Dritter. Auch Vorstrafen wegen vergleichbarer Delikte, z.B. Körperverletzung, können das Strafmaß erhöhen.

Mildernd können sich auswirken: ein Geständnis des Beschuldigten, Reue und Schadenswiedergutmachung, die Freiwilligkeit des Rücktritts vom Versuch oder besondere persönliche Umstände wie eine verminderte Schuldfähigkeit zum Tatzeitpunkt.

Besonderheiten bei der rechtlichen Bewertung

Rücktritt vom Versuch

Ein wichtiger Aspekt beim versuchten Mord ist die Möglichkeit des Rücktritts nach § 24 StGB. Wenn der Täter freiwillig die weitere Ausführung der Tat aufgibt oder deren Vollendung verhindert, kann er nach § 24 Abs. 1 StGB straffrei ausgehen. Diese Regelung soll den Täter dazu motivieren, von seinem Vorhaben abzulassen.

Der Rücktritt muss freiwillig erfolgen – das bedeutet, dass äußere Hindernisse oder die Furcht vor Entdeckung nicht ausreichen. Die Rechtsprechung prüft diese Freiwilligkeit sehr streng, da die Straflosigkeit eine erhebliche Belohnung für den Täter darstellt.

Liegt kein vollständiger Rücktritt vor, kann die Bereitschaft zur Aufgabe der Tat dennoch strafmildernd berücksichtigt werden. Dies zeigt die Bedeutung einer sachgerechten rechtlichen Bewertung aller Tatumstände.

Mittäterschaft und Teilnahme

Bei versuchtem Mord können verschiedene Beteiligungsformen vorliegen. Mittäter nach § 25 Abs. 2 StGB sind alle Personen, die die Tat gemeinschaftlich begehen und dabei einen wesentlichen Tatbeitrag leisten. Während der Anstifter nach § 26 StGB wie ein Täter bestraft wird, sieht § 27 StGB für Gehilfen eine Strafmilderung vor.

Die Abgrenzung zwischen den verschiedenen Beteiligungsformen kann schwierig sein und hat erheblichen Einfluss auf das Strafmaß. Besonders bei Jugendgruppen oder im Zusammenhang mit anderen Straftaten ist eine genaue rechtliche Analyse erforderlich.

Für jeden Beteiligten ist eine individuelle Bewertung seiner Rolle und seines Tatbeitrags erforderlich. Dabei können sich für die verschiedenen Beteiligten durchaus unterschiedliche Strafmaße ergeben.

Typische Fallkonstellationen und deren rechtliche Bewertung

Spontane Gewalteskalation

Häufig entsteht versuchter Mord aus einer Konfliktsituation heraus, die eskaliert. Typisch sind Streitigkeiten, die zunächst verbal geführt werden und dann in Gewalt umschlagen. Die rechtliche Bewertung hängt davon ab, ob Mordmerkmale wie niedrige Beweggründe oder Heimtücke erfüllt sind.

Bei spontanen Taten ohne längere Planung kann das Gericht eher zu einer milderen Bewertung gelangen, insbesondere wenn keine besonderen Mordmerkmale vorliegen und die Tat im Affekt erfolgte. Dennoch bleibt auch hier der Grundsatz, dass das menschliche Leben den höchsten Schutz verdient.

Geplante Tatausführung

Anders ist die rechtliche Bewertung bei geplanten Taten. Hier spielen die Vorbereitung, die Beschaffung von Tatmitteln und die Überlegungen des Täters eine wichtige Rolle. Geplante Taten werden regelmäßig strenger bestraft, da sie eine höhere kriminelle Energie und eine größere Gefahr für die Allgemeinheit darstellen.

Bei der Strafzumessung wird besonders berücksichtigt, wie lange und intensiv der Täter die Tat vorbereitet hat und ob er Gelegenheit hatte, von seinem Vorhaben abzulassen. Je mehr Zeit zwischen Tatentschluss und Tatausführung liegt, desto schwerer kann die Schuld des Täters wiegen.

Praktische Tipps für Betroffene

Bei Beschuldigung wegen versuchten Mordes

Wer mit dem Vorwurf des versuchten Mordes konfrontiert wird, sollte sich umgehend anwaltlich vertreten lassen. Die Schwere der möglichen Strafe und die Komplexität des Verfahrens machen eine fachkundige Verteidigung unverzichtbar. Dabei ist wichtig, von Anfang an alle Umstände der Tat und die persönlichen Verhältnisse sorgfältig zu dokumentieren.

Der Grundsatz, dass niemand verpflichtet ist, gegen sich selbst auszusagen, gilt auch und besonders bei schweren Straftaten. Eine übereilte Aussage kann die Verteidigungsmöglichkeiten erheblich einschränken. Stattdessen sollte zunächst eine umfassende rechtliche Bewertung der Situation erfolgen.

Für Opfer und Angehörige

Opfer eines versuchten Mordes und ihre Angehörigen haben verschiedene Rechte im Strafverfahren. Dazu gehört die Möglichkeit, sich als Nebenkläger dem Verfahren anzuschließen und eigene Ansprüche geltend zu machen. Auch Opferhilfeorganisationen können wichtige Unterstützung bieten.

Neben dem Strafverfahren können zivilrechtliche Ansprüche auf Schmerzensgeld und Schadensersatz bestehen. Diese Ansprüche können auch dann verfolgt werden, wenn das Strafverfahren noch läuft oder bereits abgeschlossen ist.

Wenn Sie Unterstützung bei der Durchsetzung Ihrer Rechte als Opfer einer Straftat benötigen, sollten Sie sich anwaltlich beraten lassen, um alle Möglichkeiten auszuschöpfen und Ihre Interessen effektiv zu vertreten.

Checkliste: Wichtige Aspekte bei versuchtem Mord

Für die rechtliche Bewertung sind folgende Punkte entscheidend:

  • Liegen die objektiven und subjektiven Tatbestandsmerkmale des Mordes vor?
  • Welche Mordmerkmale sind erfüllt (niedrige Beweggründe, Heimtücke, etc.)?
  • War die Tat geplant oder erfolgte sie spontan?
  • Gab es einen Rücktritt vom Versuch und war dieser freiwillig?
  • Welche erschwerenden oder mildernden Umstände liegen vor?
  • Wie ist die Persönlichkeit und die Vorgeschichte des Täters zu bewerten?
  • Bestehen Anhaltspunkte für eine verminderte Schuldfähigkeit?
  • Welche präventiven Maßnahmen sind erforderlich?

Bei einer Beschuldigung sollten Sie:

  • Unverzüglich anwaltlichen Beistand in Anspruch nehmen
  • Keine voreiligen Aussagen gegenüber den Ermittlungsbehörden machen
  • Alle relevanten Unterlagen und Beweise sammeln
  • Zeugen benennen, die entlastende Umstände bestätigen können
  • Bei psychischen Problemen eine fachkundige Begutachtung veranlassen

Häufig gestellte Fragen

Wie hoch ist die Mindeststrafe bei versuchtem Mord?

Die Mindeststrafe beträgt drei Jahre Freiheitsstrafe, sofern der Strafrahmen nach §§ 23 Abs. 2, 49 Abs. 1 Nr. 1 StGB gemildert wird. Ohne diese Milderung kann auch beim versuchten Mord lebenslange Freiheitsstrafe verhängt werden.

Nein. Mord ist ein Verbrechen (§ 12 Abs. 1 StGB) und wird zwingend mit Freiheitsstrafe bestraft. Eine Geldstrafe ist ausgeschlossen.

Ein strafbefreiender Rücktritt liegt vor, wenn der Täter freiwillig die weitere Tatausführung aufgibt oder die Vollendung verhindert, ohne dass äußere Hindernisse maßgeblich sind.

Ein Geständnis kann strafmildernd wirken, insbesondere wenn es früh erfolgt und von Reue begleitet ist. Es ist jedoch nicht automatisch strafmindernd.

Eine Bewährungsstrafe ist beim versuchten Mord in der Praxis ausgeschlossen, da die Mindeststrafe nach gemildertem Strafrahmen drei Jahre beträgt und Bewährung nur bis zu zwei Jahren zulässig ist.

Einschlägige Vorstrafen wirken in der Regel erschwerend und können zu einer höheren Strafe führen. Dabei kommt es auf Art und Schwere der Vorstrafen an.

Bei verminderter Schuldfähigkeit nach § 21 StGB kann die Strafe gemildert werden. In schweren Fällen kann auch eine Unterbringung in der Psychiatrie angeordnet werden.

Jugendliche und Heranwachsende werden nach dem Jugendgerichtsgesetz milder bestraft. Bei älteren Tätern kann hohes Alter mildernd berücksichtigt werden.

Ja, Opfer können unabhängig vom Strafverfahren Schmerzensgeld und Schadensersatz zivilrechtlich geltend machen.

Die Verfahrensdauer variiert stark je nach Komplexität des Falls. Mit mehreren Monaten bis zu mehreren Jahren ist zu rechnen, da umfangreiche Ermittlungen erforderlich sind.

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