Strafmaß versuchter Totschlag: Rechtsfolgen und Strafzumessung

Das Wichtigste im Überblick

Einleitung: Die rechtliche Bedeutung des versuchten Totschlags

Der versuchte Totschlag gehört zu den schwerwiegendsten Straftaten im deutschen Strafrecht. Wenn eine Person vorsätzlich versucht, einen anderen Menschen zu töten, aber die Tat aus verschiedenen Gründen nicht vollendet wird, liegt rechtlich ein versuchter Totschlag vor. Die Strafzumessung bei diesem Delikt ist komplex und berücksichtigt sowohl die objektiven Tatumstände als auch die subjektiven Faktoren des Täters.

Das Verständnis der rechtlichen Konsequenzen ist sowohl für Beschuldigte als auch für deren Angehörige von entscheidender Bedeutung. Die Bandbreite möglicher Strafen ist erheblich, und eine fundierte rechtliche Beratung kann maßgeblich dazu beitragen, das bestmögliche Ergebnis im Strafverfahren zu erreichen.

Rechtliche Grundlagen des versuchten Totschlags

Tatbestand des Totschlags nach § 212 StGB

§ 212 StGB stellt die vorsätzliche Tötung eines Menschen ohne Vorliegen der Mordmerkmale des § 211 StGB unter Strafe. Das bedeutet, die Tat muss vorsätzlich erfolgen, darf aber nicht die besonderen Mordmerkmale des § 211 StGB erfüllen.

Versuchsstrafbarkeit nach § 23 StGB

Da der Totschlag ein Verbrechen ist (Mindeststrafe ein Jahr Freiheitsstrafe), ist bereits der Versuch strafbar. § 23 StGB regelt die Strafbarkeit des Versuchs und ermöglicht eine fakultative Strafmilderung gegenüber der vollendeten Tat. Dies bedeutet, dass das Gericht bei der Strafzumessung nach eigenem Ermessen berücksichtigen kann, dass die Tat nicht vollendet wurde.

Strafrahmen und Strafzumessung

Der gesetzliche Strafrahmen für vollendeten Totschlag beträgt nach § 212 StGB mindestens fünf Jahre Freiheitsstrafe. Die Höchststrafe für Totschlag beträgt 15 Jahre Freiheitsstrafe (§ 38 Abs. 2 StGB). Bei versuchtem Totschlag kann das Gericht gemäß § 23 Abs. 2, § 49 StGB den Strafrahmen mildern. Bei einer Strafmilderung bewegt sich das Strafmaß für den versuchten Totschlag in einem Rahmen von mindestens zwei Jahren bis maximal elf Jahren und drei Monaten Freiheitsstrafe.

Bei der Strafzumessung ist vor der Anwendung der Versuchsmilderung (§ 23 Abs. 2, § 49 StGB) stets vorrangig zu prüfen, ob ein minder schwerer Fall gemäß § 213 StGB gegeben ist. Erst wenn diese Prüfung negativ ausfällt, wird der gemilderte Strafrahmen für den Versuch angewandt.

In minder schweren Fällen nach § 213 StGB ist für vollendeten Totschlag Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren vorgesehen. Beim Versuch kann dieser Strafrahmen nach § 23 Abs. 2, § 49 StGB weiter gemildert werden.

Faktoren der Strafzumessung bei versuchtem Totschlag

Objektive Tatumstände

Die konkreten Umstände der Tat spielen eine zentrale Rolle bei der Strafzumessung. Dazu gehören die Art der Tatausführung, die verwendeten Mittel und die Intensität des Angriffs. Ein Angriff mit einer gefährlichen Waffe wird regelmäßig schwerer bewertet als ein Angriff mit bloßen Händen. Auch die Dauer und Intensität der Gewalteinwirkung fließen in die Bewertung ein.

Subjektive Faktoren

Die innere Tatseite, also der Vorsatz und die Motivation des Täters, beeinflusst maßgeblich die Strafzumessung. Handelte der Täter aus einer Affektsituation heraus oder war die Tat geplant? Lag eine besondere emotionale Belastung vor, die zu einem Kontrollverlust führte? Diese Aspekte können sowohl strafschärfend als auch strafmildernd wirken.

Grad der Vollendungsnähe

Entscheidend für die Strafzumessung ist auch, wie nah die Tat der Vollendung gekommen ist. War bereits unmittelbar zur Tatausführung angesetzt worden, oder befand sich die Tat noch in einem frühen Versuchsstadium? Je näher die Tat der Vollendung kam, desto schwerer wiegt sie in der Regel bei der Strafzumessung.

Strafmildernde und strafschärfende Umstände

Strafmildernde Faktoren

Verschiedene Umstände können zu einer Strafmilderung führen. Dazu gehören ein umfassendes Geständnis, echte Reue, der Versuch der Wiedergutmachung oder das Bemühen um Hilfe für das Opfer nach der Tat. Auch die persönlichen Verhältnisse des Täters, wie eine schwierige Lebensgeschichte oder psychische Belastungen, können strafmildernd berücksichtigt werden.

Besonders relevant ist der freiwillige Rücktritt vom Versuch nach § 24 StGB. Wenn der Täter freiwillig von der weiteren Tatausführung absieht oder freiwillig die Vollendung verhindert, kann er unter bestimmten Umständen straflos bleiben oder eine erhebliche Strafmilderung erhalten.

Strafschärfende Umstände

Strafschärfend wirken sich aus: besondere Brutalität der Tatausführung, Vorstrafen, besonders verwerfliche Motive oder die besondere Schutzlosigkeit des Opfers. Auch die Missachtung besonderer Vertrauensverhältnisse oder die Tatbegehung vor Kindern können strafverschärfend berücksichtigt werden.

Praktische Tipps für Betroffene

Sofortiges Verhalten nach einer Festnahme

Wenn Sie wegen des Verdachts des versuchten Totschlags festgenommen werden, sollten Sie von Ihrem Schweigerecht Gebrauch machen und umgehend einen Anwalt kontaktieren. Jede Aussage ohne anwaltliche Beratung kann sich später nachteilig auswirken. Auch scheinbar entlastende Aussagen können in einem anderen Kontext belastend interpretiert werden.

Wichtigkeit der Verteidigungsstrategie

Eine durchdachte Verteidigungsstrategie ist bei Vorwürfen des versuchten Totschlags unerlässlich. Dies beginnt bereits in der Ermittlungsphase und erstreckt sich über das gesamte Strafverfahren. Dabei stehen verschiedene Verteidigungsansätze im Raum: von der vollständigen Bestreitung der Tat über die Infragestellung des Tötungsvorsatzes bis hin zur Geltendmachung von Strafmilderungsgründen.

Bedeutung der Beweislage

Die Beweislage spielt eine entscheidende Rolle für den Ausgang des Verfahrens. Eine sorgfältige Analyse aller Beweismittel – von Zeugenaussagen über medizinische Gutachten bis hin zu technischen Beweisen – kann entscheidende Ansatzpunkte für die Verteidigung liefern. Oft ergeben sich aus einer detaillierten Prüfung der Ermittlungsakten wichtige Verteidigungsargumente.

Bei schwerwiegenden Vorwürfen wie versuchtem Totschlag ist eine anwaltliche Vertretung unerlässlich. Die Komplexität des Strafrechts und die schwerwiegenden Konsequenzen einer Verurteilung erfordern fundierte Fachkenntnisse und Erfahrung im Umgang mit derartigen Verfahren.

Checkliste: Wichtige Schritte bei Vorwürfen des versuchten Totschlags

  • Sofortiges Schweigen: Keine Aussagen ohne anwaltliche Beratung
  • Anwaltsauswahl: Kontaktaufnahme mit einem Fachanwalt für Strafrecht
  • Akteneinsicht: Vollständige Prüfung der Ermittlungsakten
  • Beweisanalyse: Systematische Analyse aller Beweismittel
  • Verteidigungsstrategie: Entwicklung einer maßgeschneiderten Verteidigungslinie
  • Gutachten: Prüfung der Notwendigkeit psychologischer oder medizinischer Gutachten
  • Zeugenvorbereitung: Vorbereitung eigener Zeugen für die Hauptverhandlung
  • Strafmilderung: Prüfung aller möglichen strafmildernden Umstände

Häufig gestellte Fragen

Kann eine Bewährungsstrafe bei versuchtem Totschlag verhängt werden?

Eine Freiheitsstrafe von bis zu zwei Jahren kann bei versuchtem Totschlag zur Bewährung ausgesetzt werden, sofern eine günstige Sozialprognose besteht und besondere Umstände in Tat und Persönlichkeit des Angeklagten vorliegen (§ 56 StGB). Bei Freiheitsstrafen von mehr als zwei Jahren ist eine Bewährung ausgeschlossen.

Der Unterschied liegt in den besonderen Mordmerkmalen des § 211 StGB wie Heimtücke, Grausamkeit oder niedrige Beweggründe. Liegen diese nicht vor, handelt es sich um Totschlag.

Der Tötungsvorsatz wird durch die äußeren Umstände der Tat geschlossen, insbesondere die Art der Tatausführung, die verwendeten Mittel und die angegriffenen Körperregionen.

Ein Täter-Opfer-Ausgleich ist auch bei versuchtem Totschlag gemäß § 46a StGB grundsätzlich möglich und kann das Strafmaß mindern, verbleibt jedoch im gerichtlichen Ermessen, insbesondere angesichts der erheblichen Schwere der Tat.

Alkoholisierung kann sowohl strafmildernd (verminderte Schuldfähigkeit) als auch strafschärfend (selbst verschuldete Enthemmung) wirken, je nach Einzelfall.

Die Verfahrensdauer variiert stark, liegt aber oft zwischen einem und drei Jahren, abhängig von der Komplexität des Falls und der Auslastung der Gerichte. Bei einer Untersuchungshaft gilt das Beschleunigungsgebot.

Ja, bei schweren Straftaten wie versuchtem Totschlag ist Untersuchungshaft möglich, wenn die gesetzlichen Voraussetzungen vorliegen. § 112 Abs. 3 StPO regelt, dass hier kein Haftgrund (wie Fluchtgefahr, Wiederholungsgefahr, Verdunkelungsgefahr) notwendig ist, der Tatverdacht alleine reicht aus.

Vorstrafen, insbesondere einschlägige Gewalttaten, wirken sich regelmäßig strafschärfend aus und können eine Bewährung ausschließen.

Ja, gegen Urteile der Landgerichte ist die Revision zulässig. Eine Berufung ist nicht zulässig.

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